Krahl und der antiautoritäre Marxismus

Ein Studienwochenende zu Krahls 50. Todestag am 13. Februar 2020
14.-16. Februar 2020, Frankfurt am Main

https://krahl2020.noblogs.org/

Gemeinsam mit der Antifa Kritik und Klassenkampf (Frankfurt am Main) haben wir ein Studienwochenende über Hans-Jürgen Krahl veranstaltet, um seine Texte für die heutige Strategiedebatte und Theoriearbeit zu diskutieren.

Krahl stand für eine konkrete, lebendige Einheit von Theorie und Praxis. Seine Theoriearbeit analysierte den Kapitalismus, um die gegenwärtigen Bedingungen von Emanzipation diskutieren zu können. In seiner Praxis stand er im Mittelpunkt der antiautoritären Bewegung und ihrer realpolitischen Ziele – gegen die Notstandsgesetze, Hochschuldemokratie, Antikriegsbewegung. In konkreten Zusammenhang brachte Krahl Theorie und Praxis durch seine Klassenanalysen, seine Auseinandersetzung mit der Organisationsfrage und seine Theorie des Klassenbewusstseins.

Die antiautoritäre Bewegung um 1968 versuchte diese Einheit von Theorie und Praxis zu leben. Sie begann spätestens mit Krahls Tod auseinanderzubrechen. Heute haben wir nur mehr die Bruchstücke: theoriefixierte praxislose Gruppen hier, theorielose aktionistische Gruppen dort. Die konkrete Vermittlung in Klassenanalyse und Organisationsfrage hat lange keine Rolle gespielt. Erst die in den letzten Jahren in der radikalen Linken neu aufflammenden Strategiedebatten – etwa um neue Klassenpolitik oder um antiautoritäre Organisationsfragen – setzten die Einheit von Theorie und Praxis wieder auf die Tagesordnung.

Die antiautoritäre Bewegung hatte für Krahl „historisch neue Vernunftprinzipien der Emanzipation“ artikuliert. 1968 kritisierte die bisherigen Emanzipationsprinzipien – des proletarischen Klassenkampfes – und formulierte einen qualitativ neuen, der Klassenkampf und Spontanität/Subjektivität vermittelte. Wenn diese Einheit von Klassenkampf und Spontanität/Subjektivität 1968 auch erst im Ansatz vorhanden war, so brach jedoch auch sie nach 1968 auseinander. Auf die eine Seite kehrte der industrieproletarisch verengte Klassenkampf wieder, auf die andere Seite trat die postmoderne Spontanität, die die ökonomische Befreiung aus dem Blick verlor. Krahl versuchte in seiner Theoriebildung wie in seinen strategischen Überlegungen ein unverkürztes Emanzipationsverständnis auszuarbeiten, wie wir es uns heute erst wieder aneignen müssen.